Reisebericht Tunesien 2014

Von Peter 'long man'

Freitag, 18. April 2014

Es geht los! Hoppla, noch nicht ganz. Kaum auf der Hauptstrasse fallen uns die Sandwiches ein, die noch im Kühlschrank auf uns warten. Und wir werden sie brauchen, denn anstelle neun Uhr ist es bereits nach 11 Uhr und der Osterverkehr kann uns jederzeit einen Strich durch die Zeitplanung machen. Endlich auf der Autobahn nach Zürich, macht sich Entspannung breit. Wie immer war es ein Spiessrutenlauf bis zum Schluss, 14 Tage Autonomie in allen Belangen ins Auto zu packen, in ein Auto, das so noch gar nie genutzt worden war und in dem entsprechend jedes Plätzchen beim einladen optimiert werden musste.

 

Doch nun gilt: Was dabei ist, kommt mit, was vergessen wurde, bleibt weg. Ausser das Wasser, das wir beim Aqui-Brunnen auf dem Hürlimann-Areal zu bunkern planen. Die Wetterprognosen haben nichts gutes verheissen, und so ist der Nieselregen beim Befüllen der Kanister nicht wirklich überraschend. Die Sammlung umfasst zwei mal 30, zwei mal 20 und ein mal 10 Liter bestes Mineralwasser. Dann ab auf die Autobahn und Kilometer fressen. Die Route über den San Bernadino ist angesagt. Mit Genugtuung verfolgen wir die Staumeldungen vom Gotthard. Auf unserer Seite herrscht grandios freie Fahrt, abgesehen von einigen lauernden Zeitgenossen mit ausländischen Kennzeichen. Beim Abstieg nach Bellinzona werden die Sandwiches gerne verzehrt. Schliesslich zwingt uns der Biorhythmus doch noch zu einem Stopp auf einem Rastplatz. Das verkürzte Parken über die grasbewachsene Spurabschrankung kommt nicht bei allen Damen gleich gut an, aber schliesslich sind wir im Offroad-Urlaub! Bei leidlich freundlichem Himmel stürmen wir weiter, über die Grenze nach Italien und auf der Suche nach der vereinbarten Raststätte Castelnuevo Scrivio Ovest. Wie weit wird sie von Genua entfernt sein, reichen die zwei verbleibenden Stunden noch? Bald lernen wir von den Schildern, dass der Scrivio ein Fluss ist und kurz danach fahren wir mit einer Stunde Vorsprung auf den Rastplatz.

 

Wir gönnen uns Toilettenbesuch und einen Kaffee, beim Auto ergänzt von einigen Knabbereien aus dem reichhaltigen Vorrat. Kaum aufgebrochen, einen kleinen Spaziergang zu unternehmen, treffen auch schon Chrigi, Regula und Isi im Iveco und Peter und Tim im Ford ein. Nach der Begrüssung und einem kurzen Schwatz mit einer Schweizer Familie mit Offroad-LKW und angehängtem Wasser-Jet (!) machen wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Rastplatz für die Nacht. Der Platz auf einem Bauernhof, den Chrigi noch von früher kennt, erweist sich als nicht möglich, wir werden an ein Motocross-Gelände beim nahe gelegenen Naturschutzgebiet verwiesen. Nach langem Werweisen entscheiden wir uns gegen wildes campen im fast parkähnlichen Reservat bzw. für einen Rasenstreifen neben dem Motocross-Club, in hoffentlich sicherer Entfernung zu den bedrohlich wirkenden Hochspannungsleitungen. Da der zunehmende Wind kein schönes Lagerfeuer verspricht, bleiben die Cervelats im Kühlschrank und wir fahren zurück ins Dorf auf eine Pizza. Auf dem Weg dahin klärt sich auch die Frage nach dem würzigen, an Kaffee erinnernden Duft in der Luft: die kommunale Kläranlage. Bei der für die Grösse des Dorfes erstaunlich stattlichen Kirche stellen wir unsere Fahrzeuge ab und erfragen den Weg zur Pizzeria. Von aussen mehr als unscheinbar, präsentiert sich uns ein proper herausgeputztes Lokal, dessen Besitzer sich seiner Fischküche lobt. Doch alle wollen traditionelle Pizza oder Calzone, und auch über das Telefon werden nur Pizzen für take away bestellt. Für Dessert sind alle zu müde, uns so sind wir bald am austarieren unserer Fahrzeuge für einen möglichst ebenen Stand. Der Wind hat gedreht und aufgefrischt. Damit ist der Duft weg, aber die Aussicht auf Regen da. Der kommt dann auch prompt mitten in der Nacht, begleitet von Windböen. Doch die nahen Büsche bieten uns einigen Schutz. Von der Meteorologie unbeeindruckt, ruft eine Unke stundenlang nach paarungswilligen Weibchen. Ein sehr an Vogelruf gemahnender Laut, wie einige alternativ vermuten.

 

Samstag, 19. April 2014

Da die Lust auf Regennässe bescheiden ist, bleiben am Morgen alle etwas länger liegen und verrichten die Aufsteh-Prozeduren inkl. Frühstück nach Möglichkeit ohne einen Fuss nach draussen zu setzen. Doch für das finale Zusammenpacken müssen sich dann doch wenigstens die Fahrer den Regentropfen stellen.

 

Nach einem kurzen Stopp bei Lidl für die letzten Ergänzungen geht es auf der Autobahn Richtung Süden. Die nun doch als praktisch erkannten Regenschirme finden sich auf einer Autobahnraststätte, gefeiert mit einem Kaffee oder einer heissen Schokolade. In Genua soll die frühe Stunde für einen Besuch im lokalen Aquarium genutzt werden. Doch weder unter den Hochstrassen noch in den Seitenstrassen lassen sich Parkplätze finden, und so geben wir auf und ziehen uns in den Hafen zurück. Das Schicksal scheint es gut gemeint zu haben, denn die verfügbare Zeit kann für die Klärung der Existenzfrage des Iveco genutzt werden: Trotz korrekter Buchung erscheint er im Buchungssystem falsch erfasst. Nach diesem Zwischenerfolg geht es in die Wartekolonne, wo Michi und Robin über den geänderten Treffpunkt informiert werden. Peter und Tim machen sich zu Fuss auf zum Aquarium, der Rest der Truppe richtet sich auf das lange Warten ein. Wieder einmal bestätigt sich, dass Afrika bereits im Hafen von Genua beginnt und dass ab dort jede mitteleuropäische Erwartungshaltung keine Daseinsberechtigung mehr hat. Erstes Indiz ist die Fähre, die eigentlich um 13.00 Uhr in Genua hätte eintreffen sollen, von der aber weit und breit nichts zu sehen ist. Derweil beschäftigen wir uns mit dem Trocknen der feuchten Ausrüstung aus den Dachtaschen und lassen das Hubdach steigen, um auch dort die Feuchtigkeit zu vertreiben. Der böige Wind hilft uns dabei. Um 15 Uhr gesellen sich dann Michi und Robin zur Truppe. Dank dem neuen Toyo werden die Gesprächsthemen zum Zeitvertrieb wieder reichhaltiger, weiter angereichert durch einen Abstecher ins nahe Einkaufszentrum für einen Zvierikaffee.

 

Erst gegen 18 Uhr schiebt sich die Carthage ins Hafenbecken, und die schlechte Vorahnung schlägt in Gewissheit um: heute wird die Abfahrt so spät wie noch nie. Unmut beginnt sich bei der Hundertschaft wartender Fahrzeuge bemerkbar zu machen, gelegentlich entladen in Hupkonzerten. Schliesslich schaffen wir es gegen 21 Uhr, unseren Weg in den Schiffsbauch zu prügeln, nicht ohne vorher den verantwortlichen Einweiser durch die kritische Frage nach dem 'Warum' zu einem beschleunigten Durchwinken motiviert zu haben. Doch schliesslich ist es geschafft, die nette Aussenkabine bezogen und kann in der Gruppe das leibliche Wohl besprochen werden. Da die Verpflegung nicht vorweg gebucht werden konnte, besorgt uns Regula auf dem Schiff die Gutscheine. Die Verpflegung ist wie immer gut und reichlich. Trotz viel Nichtstun den Tag über sind alle müde und verschieben beim Anblick der langen Schlangen vor den behelfsmässigen Tischen von Polizei und Zoll das Erledigen der Formalitäten auf den nächsten Tag.

 

Sonntag, 20. April 2014

Immer wieder faszinierend, was für einen Formalitätenlauf für die Einreise nach Tunesien erforderlich ist. Vom Auto bis zu letzten Nase muss alles schön detailliert erfasst sein, auf Zettelchen unterschiedlicher Grösse und Druckfarbe. Endlich kann der begehrte Ausdruck aus dem Matrixdrucker für die Einreise entgegengenommen werden. Darob ist es fast schon Mittag geworden, und die nächste Verpflegung als Teil des Unterhaltungsprogramms steht an. Dank dem GPS von Chrigi wissen wir bald, dass die Fähre nicht viel von der Verspätung aufholen wird und dass die Ankunft im reservierten Hotel in Yasmin Hammamet spät werden wird – zu spät für die Verpflegung, die um 21 Uhr pünktlich endet? Bei der Einfahrt in den Hafen von Tunis bleiben wir so lange wie möglich mit unserem Gepäck an Deck, zu verlockend ist die Exotik des Stadtbildes, und zu rein die Meerluft. Das Auto ist zielsicher gefunden, alles in Ordnung, der Kühlschrank läuft, also hat die Verbraucherbatterie gehalten. Schon beginnt die Ungeduld der wartenden Teams zu steigen – so schnell alle rein wollten, so schnell wollen sie nun auch wieder hinaus. Ohne das Prinzip der Fahrzeugladung verstanden zu haben, müssen wir auf Deck wenden, um das Schiff verlassen zu können. Dann beginnt das grosse Drängeln und Schieben, bis schliesslich am grossen Scanner vorbei die Wartebahnen erreicht sind. Bloss nicht hinter Einheimischen aufschliessen, wurde uns eingeimpft, sonst dauert es ewig. Wir landen in einer kurzen Kolonne mit vielen Teilnehmenden der 'No Tracks' Tour. Was nun? Da steht auch schon Chrigi neben uns und zeigt uns, welches Papierchen wir welchem Beamten zeigen sollen. Wie er immer so schnell rauskommt, ohne Beule und trotz grossem Auto? Wie auch immer, wir wühlen uns tapfer weiter, können uns grad noch vor einem fetten Lastwagen vordrängen und sind erstaunt, dass unsere Spur so zügig vorangeht. Nochmals Pass und Papierchen vorweisen, und dann ist das Hafentor hinter uns.

 

Im 'offiziellen' Tunesien warten wir auf die übrigen Fahrzeuge oder die mutigen Geldwechslerinnen. Die Gruppe findet beim obligaten Tankstellenstopp kurz vor dem Bahnübergang wieder zusammen. Jetzt ist wieder Kilometerfressen angesagt. Trotz zügiger Fahrt kommen wir erst kurz nach 21 Uhr im Hotel Lella Baya in Hammamet an und werden von einem Hauch tunesischer Flexibilität überrascht: dank den Kollegen von 'No Tracks' und guter Belegung – vor allem des Parkplatzes – bleibt das Buffet länger geöffnet. Gerne bedienen wir uns hier und da, obwohl die Auswahl nicht wirklich umwerfend ist. Aber wer will um diese Zeit schon grummelig sein. Bewaffnet mit dem Allernötigsten und zwei Humpen Bier machen wir uns auf die Suche nach unserem Zimmer, das sich zum Glück im weiter hinten, fern von der Animation in der Empfangshalle gelegenen Teil des Hotels befindet.

 

Montag, 21. April 2014

Der nächste Morgen bringt die meisten schon früh aus den Betten, nicht nur der zeitigen Abfahrt und des schönen Morgenlichtes wegen. Von Funkgerät über Reifendruck bis zum Umstellen auf Reisebetrieb muss dies und das noch erledigt werden. Kurz nach 9 Uhr machen wir uns auf den Weg in Richtung Süden. Zwischenziel ist das Amphitheater von El Jem [‏الجم‎], einem UNESCO-Weltkulturerbe. Auf der Zufahrt frontal auf den grossartig erhaltenen Rundbau hin ist der Kontrast von klassischer Antike und heutiger Moderne beklemmend. Haben wir es wirklich weiter gebracht als die Römer, oder sind wir einfach nur später auf der Welt? In unmittelbarer Nähe finden wir keine Parkplätze, und so verschieben wir zur Hauptstrasse nahe des Dorfausganges und reihen unsere Fahrzeuge dort auf. Regula und Chrigi bleiben freundlicherweise als Aufpasser zurück.

 

Die Anlage des Amphitheaters, erstaunlich gut erhalten bzw. Restauriert, ist das drittgrösste bekannte Amphitheater des Römischen Reiches und gilt als das grösste erhaltene römische Monument Afrikas. Auf die Römer geht nur der kleinste Teil zurück. Durch Ölivenöl reich gewordene Einheimisch haben sich 238 nach Christus ein viel grösseres Theater für spektakulärere Spiele gönnen wollen. Tatsächlich haben sie die Anlage aber auch dazu genutzt, um sich vor den römischen Steuereintreibern zu verschanzen. Das hat den römischen Besatzern natürlich nicht gepasst, und sie haben kurzerhand einen Teil der Anlage eingerissen, Beschädigungen, die auch heute noch sichtbar sind. Erst im 17. Jahrhundert wurde das Amphitheater als Steinbruch für den Bau der umliegenden Stadt missbraucht. Dank mangelnder Absprache zwischen Andrea und Peter führt eine längere gegenseitige Suchaktion zu einigem Zeitverlust. So verbringen wir die gekürzte Mittagszeit etwas ausserhalb der Stadt in einem Olivenhain, wo die Cervelats verspiesen werden.

 

Gestärkt fahren wir los in Richtung Matmata Nouvelle und der letzten Tankstelle vor dem Sand. Auf den gut ausgebauten und breiten Strassen kommen wir zügig voran. Auffällig ist die aufwändige Strassenbeleuchtung. Kilometer um Kilometer ragt alle 100 Meter eine Doppelleuchte in den Himmel. Es müssen tausende sein – wohl eine Hinterlassenschaft von Ben Ali, um den Fortschritt in die Provinz zu bringen. Nach kurzer Verhandlung mit dem Tankstellenbesitzer willigt dieser ein, den Anhänger des Quads bei sich auf dem verschlossenen Teil des Geländes für 10 Tage lang zu bewachen. Und so beginnt ein emsiges Treiben von Quad abladen, Tanken, Reservekanister füllen und Gepäck für den Wüstenbetrieb umschichten. Um den Quad als zusätzliches Fahrzeug verlängert, macht sich die Kolonne auf zum alten, oben auf dem Bergrücken gelegenen Dorfteil von Matmata. Ziel ist das Restaurant von Abdalla, der auf dem dazugehörigen Parkplatz auch Camper zulässt. Und natürlich erhoffen wir uns bei Ihm ein leckeres Abendessen. Tatsächlich sollen alle unsere Wünsche sollen in Erfüllung gehen: kurz nach halb acht Uhr sitzen wir in als einzige Gäste in seinem Restaurant und geniessen bei mitgebrachtem Bier lokale Spezialitäten oder einfach nur Schnitzel mit Pommes. Auf die Moschee unmittelbar neben dem Parkplatz angesprochen erklärt uns Abdalla mit viel Engagement, wie sich das Geschehen in den frühen Morgenstunden abspielen wird – und zu welcher Zeit.

 

Dienstag, 22. April 2014

Pünktlich um zwanzig nach vier Uhr am nächsten Morgen wird Allah und seine Verdienste über Lautsprecher verstärkt angerufen. Allen kommt die Dauer des Gebets unterschiedlich lange vor, aber alle sind auf einen Schlag hellwach. Das geht auch der ganzen Tierwelt des Dorfes so, die es sich aber im Unterschied zu uns nicht nehmen lässt, gleich weiterzugackern, -wiehern, -bellen oder -eseln. Entschädigt werden wir mit einem leckeren Frühstück, wieder bei Abdalla. Das Wetter macht einen gemischten Eindruck, noch scheint sich der Frühling noch nicht ganz durchgesetzt zu haben. Motiviert von der bettelnden Dorfjugend fahren beschleunigt wir zu einer Höhlenwohnung unten im Dorf, die als Museum ausgestaltet wurde. Die engagierten aber mässig begabten Führer sind mindestens so faszinierend wie die Behausung selbst. Leider hat die rund um einen offenen Innenhof gelegene Anlage schon stark unter Erosion gelitten. Aber eindrücklich sind die verschieden genutzten Räume und die darin ausgestellten Gegenstände aus verschiedenen Epochen allemal.

 

Dann verschieben wir uns endgültig in Richtung Dünen, zu Beginn und soweit möglich über unbefestigte Nebenstrassen. Ziel ist es, einen Rastplatz auf halbem Weg nach Gsar Ghilane zu finden, für die erste Übernachtung im Sand. Aus der lockeren Bewölkung lösen sich tatsächlich bald einige Regentropfen und bilden so einen fast biblisch friedlichen Hintergrund für die Schafherde am Dorfausgang. Gegen Mittag frischt der Wind empfindlich auf und treibt je länger je mehr Sand vor sich her. Fast alle verzehren ihr Mittagessen geschützt im Auto. Die Kochtruppe beginnt sich Sorgen um das Feuerholz für das Abendessen zu machen. Kurzerhand beschliessen Horlitrovs, sich im peitschenden Wind die Palmwedel zu sichern, die rings um eine verfallene Hütte herumliegen. Es ist eine sandige Angelegenheit, bis das schwere Bündel endlich auf dem Dach des Defenders gesichert ist, aber sonst durchaus dekorativ. Nahe eines Wadis finden wir in einem kleinen Wäldchen weiteren Brennstoff. Im Verlaufe des Nachmittags lockert die Bewölkung nach und nach auf, so dass mit einiger Gewissheit um die Windrichtung ein schönes Plätzchen für die Nacht gesucht wird. Während der Vorbereitungsarbeiten fürs Nachtessen flaut der Wind weiter ab, so dass das Kochen am offenen Feuer zu einem Genuss wird. Es gibt Gemüseeintopf mit Schinken, als Dessert Apfelmus mit Schlagrahm und einem Schnäpschen zum Kaffee.

 

Doch die Idylle soll nicht von Dauer sein. Kaum ist die letzte Schöpfkelle abgetrocknet und verstaut überfällt uns ein Sturmtief. Im Nu ist die Luft von Sand erfüllt, was nicht befestigt oder schwer genug ist wird weggeblasen. Es beginnt für alle eine sehr unruhige Nacht, die sich erst nach einigen Stunden normalisiert, als der Spuk vorbeigezogen ist. Ein Hämmern verrät, dass Vogels endlich ihr Dachzelt aufstellen können und Horlitrovs wenden ihren Defender in die geänderte Windrichtung und lassen das Hubdach steigen.

 

Mittwoch, 23. April 2014

So ein Sturm ist ein verlässliches Mittel, am nächsten Morgen auch ohne übermässigen Alkoholkonsum in Katerstimmung zu sein. Doch der schöne Morgen und das liebliche Licht lassen bald alle Beschwerden vergessen sein. Erstes Ziel ist der alte Römerbrunnen Bir Soltane, den wir über angenehme Dünenzüge rasch erreichen. Die Anlage wurde modernisiert und mechanisiert; sie dient nun als Versorgungspunkt für die umliegenden Siedlungen – oder als H2O-Tankstelle für Offroad-Reisende. Wir füllen Wasserkanister und -säcke mit Brauchwasser für die kommenden Tage, einige gehen auch die alte Brunnenstube besichtigen. Als Entschädigung überlassen wir den Brunnenwächtern einige unserer Schokoladenostereier und andere Süssigkeiten, frisch aus der Kühlbox. Isis Quad, der schon tags zuvor immer wieder Probleme gemacht hat und das letzte Stück bis zum Brunnen geschleppt werden musste, will nun gar nicht mehr anspringen. Selbst anschieben mit vereinten Kräften nützt nichts. Als Ursache wird der Scheinwerfer vermutet, der sich nicht abschalten lässt und so vielleicht die Batterie überfordert. Also wird den Sicherungen zu Leibe gerückt. So richtig toll beschrieben sind die Steckplätze nicht, also eher mal mehr als weniger Sicherungen raus. Doch erst als die Sicherung für die elektronische Einspritzanlage wieder gesteckt ist, läuft das Teil wieder an.

 

Kurz vor der Piste nach Ksar Ghilane machen wir Rast. Der Himmel entschädigt uns mit einem wunderschönen Wolkenbild für die Wetterkapriolen der vergangenen Nacht. Nach einer eher monotonen Pistenfahrt fahren wir schliesslich in die Oase ein. Die Aussicht auf Bad im kommunalen Schwefelfreibad wirkt auf alle belebend, denn jede und jeder haben eine Menge Sand abzuwaschen. Doch was ist das? Ganz viele und noch mehr Quads! Kein Wunder, ist die Jungmannschaft nicht mehr zu halten. Trotz fortgeschrittener Zeit wird nach eingehenden Verhandlungen eine halbe Stunde gebucht. Peter der Lange meldet sich freiwillig als Begleitperson, das Opfer scheint aber eher gering zu sein. Der erfahrene Guide bringt uns durch eine spannende Route hinaus zu den zum Fort hin erstaunlich hohen Dünen. Eine Riesengaudi! Klar, dass für morgen gleich eine Wiederholung angedacht wird. Nach dem erfrischenden Bad und dem Haarewaschen aus dem Bach auf dem Gelände der Nationalgarde fährt die ganze Gruppe hinaus ins goldene Licht des nahenden Abends. Nach kurzer Fahrt richten wir es uns auf einem Dünensattel gemütlich ein. Der Wind ist Michi und Robin mässig gnädig, doch die beiden verwöhnen uns vorbildlich mit feinem Gulasch.

 

Donnerstag, 24. April 2014

Ein Bilderbuchmorgen treibt alle früh aus den Federn oder Schlafsäcken. Nach dem Frühstück ist die erste Etappe das römische Fort Tisavar, das schon vom Lagerplatz aus gut sichtbar lockt. Die gut erhaltene Ruine, gebaut rund 200 Jahre nach Christus, lädt zum klettern und philosophieren ein. Die Inschrift  IOV OPT MAX VIC gibt Anlass zu verschiedenen Spekulationen. Da sich die Lateiner der Gruppe nicht einigen können, tippen die anderen schliesslich auf so was wie „Hier wohnt der Boss“. Was so falsch nicht ist, denn gemäss Wikipedia steht die Inschrift für „Iov(i) Opt(imo) Max(imo) Vic(tori)“, was soviel heisst wie „Jupiter, dem Besten, Grössten, dem Sieger“. Bald wird es uns zu warm und wir fahren zurück – zum Quad fahren, natürlich. Trotz Mittagshitze schwingen sich die Youngsters mit den Elders Andrea, Michi sowie den Peters auf die Gefährte. Verschwitzt aber glücklich wird nach der Ausfahrt ausgiebig gebadet, wobei Robin und Tim keine Gelegenheit auslassen, den langen Peter versenken zu wollen. Doch 'Tigerkralle frisst sie alle' ist wehrhaft und schickt stattdessen die beiden Jungs auf Tauchstation. Nach dem Mittagessen macht eine kleine Gruppe einen Ausflug zum lokalen Hotel, um vom dortigen Turm aus einen Blick auf die Oase zu geniessen. Auch der verlassen wirkenden Hotelbar wird ein Besuch abgestattet, wobei die Begeisterung für das Angebot an SPA-Möglichkeiten begrenzt ist – schliesslich haben wir Körperertüchtigung im Sand mit gebucht. Dieser gehen wir dann auch bald wieder nach, indem wir einen schönen Nachtplatz suchen. Heute verwöhnen uns Peter und Tim. Wir dürfen erleben, wie am offenen Feuer nicht nur eine leckere Gemüsesuppe mit frischen Zutaten gekocht werden, sondern wie dazu Fladenbrot gebacken und zum Dessert sogar eine echte Rüebli-Torte im speziellen Topf gebacken werden kann. Ein super Menu!

 

Freitag, 25. April 2014

Heute wollen wir uns bis nach Douz durchschlagen. Der Weg führt uns auf der ersten Hälfte durch eine wunderschöne Dünenlandschaft, die klassisches 4x4-Dünenwandern erlaubt: über den Sand dahingleiten durch attraktive Landschaft und ohne Stress. Nur wenig gibt es zu Schaufeln. Gegen Mittag gelangen wir auf die halbwegs präparierte Piste und so dann zügig zu einer weitläufigen Brunnenanlage mit Kameltränke. Die bietet auch heissgefahrenen Offroad-Fahrern willkommene und erstaunlich kühle Erfrischung bis zu Wade. Wir bleiben hier zum Mittagessen und rätseln, ob und wann sich die neugierig-zurückhaltende Kamelherde doch noch zur Tränke wagt. Schliesslich siegt der Durst und in schöner Einerreihe gruppieren sie sich am einen Ende des langen Troges, perfekt für ein Gruppenfoto rechtzeitig zur Weiterfahrt. Nach einiger Zeit erreichen wir die Hauptstrasse, die uns zügig aber unspektakulär nach Douz bringt.

 

Das bevorzugte und sehr hörbare Verkehrsmittel ist hier das Mofa, gefahren meist von Männern jeglicher Alterskategorie. Kein Wunder erntet Isi auf ihrem Quad und mit den wehenden Haaren unter dem Helm ungläubige Blicke. Zielsicher erreichen wir Mitte Nachmittag den Campingplatz „Desert Club“, wo wir die Fahrzeuge gleich neben dem schilfgedeckten Sitzbereich aufstellen können, sehr praktisch. Da wir heute Abend auswärts essen wollen, kann jeder seinen Vorlieben oder Pendenzen nachgehen: Duschen, Kleider waschen, Umpacken, Faulenzen oder schon das erste Bierchen geniessen. Im schönen Abendlicht machen wir uns durch den langsam ruhiger werdenden Markt auf zum Restaurant, das aber erst in einer Stunde öffnen wird. So schlendern wie weiter zum Marktplatz, um noch etwas Lokalkolorit zu tanken. Allerlei wird feilgeboten und besonders unsere Damen können sich kaum vor dem Zuspruch der Schuh- und Kleiderverkäufer retten. So ziehen wir uns auf die Dachterrasse eines Kaffees zurück und verfolgen das Geschehen aus olympischer Distanz bei einem Tässchen Tee.

 

Obwohl der Wind noch ordentlich weht lassen wir es uns nicht nehmen, auf der Terrasse zu essen. Es gibt die bekannten lokalen Gerichte, wobei die verschiedenen Couscous ohne Zweifel aus dem selben Topf kommen, einfach je nach Bestellung nur das Gemüse oder noch mit einer Sorte Fleisch. Effizienz nach tunesischer Art, was in der Gruppe aber nicht uneingeschränkt Zustimmung findet.

 

Samstag, 26. April 2014

Nach einer ruhigen Nacht, nur unterbrochen durch die nicht ganz synchronen Gebete der verschiedenen Muezzin der Stadt, startet der Tag mit einem leckeren Frühstück im Schatten mit  frischer Baguette. Heute steht die berühmte Rommel-Piste auf dem Programm, für die ein ordentliches Stück Weg zurückgelegt werden muss. Zügig schlängeln wir uns durch die vielen Dörfer, bis wir schliesslich in die Weite des Chott el Jerid vorstossen, dem grössten Salzseengebiet der Sahara. Die gleissend weisse Oberfläche macht das Abschätzen der Grösse schwierig, erzeugt aber immer wieder interessante Luftspiegelungen. Beim näheren Erkunden der Oberfläche ist bald klar, weshalb hier von See gesprochen wird. Nur die Salzkruste gaukelt festen Grund vor – kaum betreten, sammelt sich Feuchtigkeit unter den Füssen, der aus dem darunter liegenden Schlamm gedrückt wird. Kein Wunder wurde für eine sichere Überquerung eine Dammstrasse gebaut, an deren Flanken sich sogar ein Streifen stehendes Wasser gebildet hat. Beim Skelett eines im Schlamm steckengebliebenen Reisebusses, der es so sogar zur Touristenattraktion gebracht hat, planen wir unser Mittagessen. Doch der Untergrund scheint uns dann doch zu trügerisch, und so ziehen wir uns zum Ausstellplatz beim Damm zurück.

 

Die Weiterfahrt gestaltet sich zu einem langen Zickzack durch Dörfer und Weiler, vorbei an Palmenplantagen und frisch bestellten Feldern. Hier soll Rommel durchgekommen sein, durch diese kleinbürgerliche Bauernidylle? Abrupt endet die Fahrt vor einem Stacheldrahtzaun. Ob wir wohl noch richtig sind? Zu uns gesellen sich zwei italienische Motorradfahrer, die sich bitterlich darüber beklagen, dass die Rommel-Piste nirgendwo zu finden ist. Nach Überwinden des Hindernisses mögen sie sich uns aber nicht anschliessen. Dafür stehen wir nach einigen weiteren Wendungen plötzlich vor einer scharf geschnitten Schlucht, dem Einstieg zur Piste. Eine Seitenschlucht lädt zu einem Spaziergang, oder besser: zu einer Kletterpartie über grosse Felsbrocken hinauf zur Schwemmebene eines kleinen Flusses ein. Die Youngsters geniessen den Auslauf und klettern auf den steilen Felsflanken herum.

 

Dann geht es endlich hinauf. Die Piste besteht aus einzelnen, lokal betonierten Platten und führt uns über unzählige Kehren immer höher die Bergflanke hinauf. Der Blick über die Weite des Chott ist beeindruckend. Wir staunen ob dem guten Zustand der Piste und der Qualität deutscher Wertarbeit auch noch nach rund 70 Jahren. Zu Hause wollen wir es genauer wissen und stossen auf den Augenzeugenbericht eines Angehörigen der 2. Kompanie des siebenten Pionierbataillons der französischen Armee. Demgemäss soll die Strasse erst 1956-57 angelegt worden sein, unter Beteiligung lokaler Arbeitskräfte. Ziel war eine schnellere Verbindung in den Süden, um den Waffennachschub zur Bekämpfung der aus Algerien einsickernden Widerstandsbewegung FLN zu beschleunigen. Bilder unterlegen die Aussagen. Wie auch immer, wir geniessen die Fahrt und die tolle Bergwelt. Auf der Passhöhe besichtigen wir eine weit verzweigte Höhle, in der früher Phosphat abgebaut worden ist. Um den Abstieg zu beschleunigen, nehmen wir die gut ausgebaute Hauptstrasse weiter westlich, die uns durch eindrückliche Schluchten und viele Kehren talwärts führt. Angesichts der fortgesetzten Stunde suchen und finden wir in der Gegend von Tozeur einen pittoresken Nachtplatz inmitten von Flussläufen und Erosion zerklüfteten Felsformationen. Nur der gelegentlich vorbeirauschende Regionalzug trübt mit seinem Dieselbrummen die Idylle der völligen Abgeschiedenheit. Verwöhnt werden wir an diesem Abend von Heussers und einem leckeren Geschnetzelten mit Stocki.

 

Sonntag, 27. April 2014

Die felsige Umgebung begleitet uns auch am Vormittag auf der spannenden Fahrt durch Flussbetten und Canyons. Der harte Untergrund mahnt zur vorsichtigen und vorausschauenden Fahrt. Und im Gegensatz zum Sand ist er auch immer gut spür- und hörbar. Schliesslich treffen wir bei einer keinen Ansiedlung mit Schule und Moschee wieder auf geteerte Strassen. Die lokale  Quelle fasziniert mit Schwefelgeschmack und Dampfschwaden, so heiss tritt das Wasser aus dem Boden. Auf Nebenwegen und holprigen Pisten machen wir auf den Weg östlich aus dem Chott heraus. Trotz interessanter Vegetation, blühenden Büschen und gelegentlicher Begegnung mit Einheimischen wird die Fahrt zunehmend monoton, noch verstärkt durch die zunehmende Hitze. Dies ändert sich nach dem Mittagessen, als einzelne Windhosen schweres Wetter ankündigen. Kaum sind alle Fenster geschlossen, da fällt auch schon ein regelrechter Sandsturm über uns her. Bei schlechter werdender Sicht steigt die Motivation, die vorausfahrenden Fahrzeuge nicht aus dem Blick zu verlieren. Endlich zurück auf der Hauptstrasse wird nicht nur das Tempo schneller, sondern ist auch weniger Sand in der Luft. Da der Wind immer noch heftig bläst, beschliessen wir eine zusätzliche Nacht auf dem Campingplatz in Douz. Die Besitzerin erlaubt sogar, am offenen Feuer zu kochen, und so steht dem Spaghetti-Plausch der Horlitrovs bald nichts mehr im Wege.

 

Montag, 28. April 2014

Nach den vielen Pisten des Vortages steht uns wieder der Sinn nach Sand. Doch der Preis dafür ist: Pistenfahren! So schicken wir uns ins unvermeidliche, kommen dafür auf den leidlich unterhaltenen Pisten ordentlich schnell voran. Dann zwingt uns eine Reifenpanne am Quad zu einer Zwangspause mit handwerklicher Unterhaltung. Bestens ausgerüstet macht sich Chrigi und seine Mannen ans Werk, das Vorderrad von der Felge zu lösen um den Schlauch herauszuklauben. Der geringe Radius macht daraus eine schweisstreibende Angelegenheit. Doch mit vereinten Kräften und Seifenlauge gelingt die Demontage. Schnell ist das Loch gefunden und bald professionell verklebt. Mehrere vorbeikommende Motorradfahrer bieten uns Hilfe an, ein eindrückliches Zeichen von Solidarität in der Wüste. Der Zusammenbau gestaltet sich erheblich einfacher, so dass wir bald wieder unterwegs sind.

 

Noch vor dem Mittagessen wird die Piste immer sandiger, bis wir schliesslich zwischen lauschigen Dünenhügeln unsere Mittagsrast einlegen können. Auf der Weiterfahrt kündigt sich die Nähe von Ksar Ghilane auf dem letzten Pistenstück durch Rallyegruppen an, die in beiden Richtungen an uns vorbei donnern. So sind wir froh, nach links halten zu können, und suchen uns ein lauschiges Plätzchen für die Nacht. Heute sind Tim und Struppi — in Anerkennung von Peter's mittlerweile fortgeschrittenem Bartwuchs —, mit der Verköstigung der Truppe betraut. Sie kredenzen uns Chili con Carne mit selbst gebackener Ciabatta und produzieren als Dessert eine leckere Zitronentorte vom Feuer. Sensationell!

 

Dienstag, 29. April 2014

Heute steht der letzte ganze Tag im Sand auf dem Programm, und den wollen wir mit einer wunderschönen Tour durch die Dünen so richtig geniessen. Dass das Gebiet zwischen dem Ksar und Douz immer stärker touristisch genutzt wird, merken wir am Marathon, dessen Route wir gegen Mittag kreuzen. Also uns ist schon vom Autofahren warm, wie erst müssen sich die Läufer fühlen? Offenbar gut, den die meisten grüssen uns freundlich. Tja, jedem das seine. Gegen Mittag erklimmen wir eine hohe, schön langgestreckte Düne, die uns einen weiten Rundblick verschafft. Doch Mittagspause mögen noch die wenigsten machen, uns so fahren wir eine Sandmeile weiter. Mit zunehmendem Sonnenstand wird das Gelände ob dem gleissenden Licht immer schwieriger zu erkennen. Also machen wir es uns auf einem Dünensattel gemütlich. Nach dem Essen verbringt jeder die heisseste Zeit auf seine eigene Art: die einen gönnen sich ein Nickerchen, hören Musik oder lesen. Die drei Youngsters verschlaufen sich in Vogels Ford und schauen sich einen Film an. Gegen Ende wird sogar noch die Klimaanlage zugeschaltet. Gediegen!

 

Bei sehr viel angenehmeren Temperaturen fahren wir den letzten Rest bis in die Nähe von Ksar Ghilane. Auf einem langgestreckten Dünensattel richten wir unser Lager ein, sehr bewusst, dass damit ein wesentlicher Teil der Tour bereits vorbei ist. Darum ist an diesem Abend der Sonnenuntergang auch besonders schön, dekoriert mit einigen in der Weite vorbeiziehenden Kamelen. Den Küchendienst am Feuer übernehmen Michi und Robin. Sie verwöhnen uns mit einem leckeren Mahl.

 

Mittwoch, 30. April 2014

Ksar Ghilane ist mittlerweile zum Synonym für Quadfahren geworden, nicht nur unter den Youngstern. Erwartungsvoll wird das Frühstück eher kurz gehalten und die Fahrzeuge sind erstaunlich früh bereit. Das kurze Wegstück zum Ksar bietet keine Herausforderung mehr und schon bald sind die Fahrzeuge im Schatten von Bäumen in der Nähe der Nationalgarde abgestellt. Von den beiden mittlerweile getesteten Anbietern von Quads hat sich der erste als jener mit dem besten Guide herausgestellt. Also macht sich die Quad-Gruppe zielstrebig auf den Weg zu den Verhandlungen. Der Preis ist bereits bekannt und lässt sich auch diesmal nicht herunterhandeln. Vermutlich sieht man uns unsere Zahlungsbereitschaft für eine tolle Ausfahrt zu gut an. So sind wir schnell handelseinig. Und es kann gleich losgehen, denn für später hat sich bereits eine italienische Gruppe angemeldet. Die Tour hat es in sich und führt bis hinaus zum Fort. Die Zeit haben wir sowieso längst vergessen und wir haben das Gefühl, schon den ganzen Tag unterwegs zu sein. Langsam machen sich Ermüdungserscheinungen bemerkbar — das Daumengas fordert seinen Tribut an der rechten Hand. Zurück in der Oase klärt sich unsere Einschätzung: ein Missverständnis zwischen dem Vermieter und dem Führer hatte uns eine Ausfahrt von einer Stunde beschert, anstelle der gebuchten 30 Minuten. Doch der Spass war es uns Wert und wir bezahlen den Aufpreis gerne.

 

Nach dem obligaten Bad in der warmen Quelle ziehen wir uns zum Mittagessen unter die Bäume zurück. Da nun der erste Teil des eigentlichen Rückwegs ansteht, hat es niemand wirklich eilig. Und zu heiss ist es für die Weiterfahrt ohnehin noch. So faulenzen die einen weiter im Schatten herum, entweder lesend, zeichnend oder Hörbücher lauschend, während sich die anderen auf zum letzten Bad der Tour aufmachen. Doch gegen fünf Uhr hilft alles nichts mehr, in allgemeiner Richtung Douz soll entlang der Teerstrasse der Rastplatz für die Nacht gesucht werden. Nach einem ersten vergeblichen Versuch finden wir schliesslich ein lauschiges Plätzchen. Der Sand hat zwar schon eine andere Qualität und Farbe als näher zum Ksar, doch fast ohne Wind trübt das die Aussicht auf unsere letzte Nacht im Sand keineswegs. Am Feuer werkeln heute Abend Heussers und bewirten uns mit feinen Tortellini.

 

Donnerstag, 31. April 2014

Heute steht die lange Strassenfahrt zurück nach Hammamet auf dem Programm. Die meisten können eine gewisse Melancholie ob dem nahenden Ferienende nicht unterdrücken, wozu der leicht wolkenverhangene Himmel hervorragend passt. Die erste Etappe führt uns zurück zur Tankstelle in Matmata Nouvelle, wo der Quad von der Strasse auf den Anhänger wechselt. Wo nötig wird der Reifendruck erhöht und nachgetankt. Trotz abwechslungsreicher Landschaft im Wechsel mit langgestreckten Dörfern und den lustigen Speed-Ramps macht sich bald etwas Monotonie breit. Peter Vogel bringt durch einen Stopp zum Kauf lokaler Kochgefässe kurze Abwechslung. Gegen Mittag machen wir bei einem Kaffee halt, das auch leckere Sandwiches im Angebot hat. Also wird gleich die Mittagsrast ausgerufen, bei 'sandwiches au escalope et au poulet', das Fleisch unmittelbar an der Strasse auf Holzkohlen gebraten. Daneben steht ein Pick-up, seine Ladefläche voll gepfercht mit stoisch dreinschauenden Schafen. Nachschub für den Grill? Tunesien, eben.

 

Weiter gegen Norden klar das Wetter auf, was die eintönige Fahrt auf der Autobahn nicht attraktiver macht. Dann schon das Kit-Kat, das uns als Werbegeschenk bei einer Péage überreicht wird. Die dabei schwungvoll vorgebrachte Wortwolke entwirren wir auf der Weiterfahrt als die bekannte Werbebotschaft – take a break, take a Kit-Kat. Die Pause gönnen wir uns dann auch, aber erst auf einer Raststätte, wo noch letzte kulinarische Motivation für Fahrer und Beifahrer gekauft wird. Am frühen Nachmittag fahren wir schliesslich auf dem Parkplatz des Hotels ein. Bis zum Abendessen stehen je nach Gusto noch eine Reihe von Pflichten – Auto waschen, tanken, umpacken umräumen – oder Vergnügungen an: ans Meer gehen, den Pool besuchen, sich frisch machen, Medina besuchen. Zum Schlussessen treffen wir uns dann alle wieder im Hotelrestaurant, froh, dass alles unfallfrei geklappt hat.

 

Freitag, 1. Mai 2014

Mit dem Ziel, bereits um elf Uhr am Hafen von Tunis zu sein, bleibt am Morgen nicht mehr viel Zeit für Unterhaltung. Ob der schönen Poolanlage macht sich wohl der eine oder die andere Gedanken, das nächste Mal noch ein paar Tage anzuhängen oder sonst mal zwischendurch hierher zu kommen. Aller Abschied ist schwer. In zügiger Fahrt erreichen wir bald die Gebäude der Hafenverwaltung. Wie immer ist tunesische Bürokratie zu erleben ein besonderer Genuss, verstärkt durch drängelnde Mitreisende, die von nichts mehr wissen, sobald sie einen frech überholt haben. Drängeln ist auch die Hauptbeschäftigung der nächsten zwei Stunden: Auf das Hafenareal drängeln, in die Wartebahnen drängeln, für die noch benötigten Stempel drängeln und schliesslich in den Schiffsbauch drängeln. Unsere Reisegruppe wurde darob auseinandergerissen, aber sich durchschlagen in Tunesien haben wir ja inzwischen gelernt. In den langen Wartephasen ist immer wieder Gelegenheit, sich mit anderen Reisenden auszutauschen. So können wir der Familie aus Marseille klar machen, dass die Carthage anstelle der neuen Tanis zum Einsatz kommt, offenbar wegen mangelnder Auslastung. Der deutsche Fahrer des ausgemusterten Militärlastwagens schildert, wie er seine Schwarzfahrer aus dem Chassis hervor gescheucht hat. Und der freundliche Franzose macht uns darauf aufmerksam, dass uns noch ein Stempelchen auf dem vom Zollbeamten visierten Zettelchen fehlt, der unser Auto eben mässig interessiert nach was auch immer durchsucht hat. Der Zufall will es, dass der deutsche Fahrer auch bereits in einer langen Schlange für besagten Stempel ansteht, uns so wird eben das Gespräch beim Warten auf den hohen Beamten in seinem Kabäuschen fortgesetzt – was uns mindestens zwanzig Plätze in der Warteschlange einbringt. Man darf auch mal ungewollt Glück haben.

 

Auf dem Schiff macht sich schon so was wie Routine breit. Auf dem hinteren Deck treffen sich alle zu einem Schwatz bei Kaffee oder Schweppes. Der Schlacht- und Zeitplan fürs Abendessen wird besprochen und die verbleibende Zeit möglichst angenehm verbracht. Selbstverständlich wird auch diesmal mit Verspätung abgelegt, wobei die eine Stunde lokal wohl noch unter hochgradig pünktlich fällt. Wir sind zuversichtlich, dass der Rückstand während der nächsten Stunden aufgeholt werden kann.

 

Samstag, 2. Mai 2014

Aber eben. Zuversicht und tunesische Nonchalance passen eher selten zusammen. Anstelle aufzuholen, wächst der Rückstand auf mehr als drei Stunden an – just die benötigte Fahrzeit bis an die Schweizer Grenze. Auf verschiedenes Nachfragen hin wird als Grund Gegenwind genannt, dabei war die Fahrt so etwas von ruhig und ohne nennenswerten Seegang. Wie auch immer, beim Einlaufen in Genua überkommen uns beim Anblick der mit Ausreisewilligen vollen Wartebahnen schon fast nostalgische Gefühle auf. Der Kreis schliesst sich irgendwie, auch wenn die Hektik um die Ausfahrt noch bevorsteht.

 

Auch hier ist wieder Drängeln angesagt, wobei die italienischen Zollbehörden einiges weniger Umstände machen als ihre tunesischen Kollegen – sofern einen das Pech nicht hinter einem überladenen Einheimischen zum stehen gebracht hat. Einmal mehr ist Chrigi der schnellste von allen und als erster auf der Autobahn. Wir haben individuelle Heimfahrt abgemacht, also kurvt jeder in seinem Tempo die Serpentinen des Vorgebirges hoch. Mitten auf der Poebene erwischt uns noch ein happiges Gewitter mit Hagel, das wir geschützt unter einer Autobahnbrücke absitzen. Die Verspätung hat zumindest den Vorteil, dass der Verkehr an der Grenze und am Gotthard sehr moderat ist. Kurz vor dem Tunnel soll aber nochmal etwas koffeinhaltiges angeschafft werden, doch just in diesem Moment ist Ladenschluss. Dabei ist 22 Uhr doch noch keine Zeit. Schöne neue Welt. Doch das macht nichts, denn auch nach zwei Wochen auf Achse hat unser Kühlschrank noch die eine oder andere Leckerei vorrätig, um die Lebensgeister wach zu halten. Und sonst wirken auch immer wieder Gedanken an zwei schöne, abwechslungsreiche und in bester Gesellschaft verbrachte Wochen in Tunesien belebend.

 

Eine Gruppenreise ist immer nur so gut wie der Teamgeist der Personen, die daran teilnehmen. In dieser Hinsicht waren wir eine sehr ausgewogene Gruppe, die dank der überschaubaren Grösse, der unkomplizierten gegenseitigen Unterstützung und dem kameradschaftlichen Humor von Beginn weg gut harmonierte. Souverän war, für die meisten bereits zum wiederholten Mal, die kompetente Reiseleitung, von der Unterstützung im tunesischen Einreise-Dschungel bis zur einwandfreien Navigation fernab der ausgetretenen Pfade. So gebührt allen und jedem/jeder gleichermassen Dank, in alphabetischer Reihenfolge

Andrea 'stop sand' (vom Clan der Horlitrovs)
Anna Marlen 'roof top'  (vom Clan der Horlitrovs)
Chrigi 'the navigator'
Isi 'quad queen'
Michi 'cool man'
Peter 'Struppi'
Peter 'long man' (vom Clan der Horlitrovs)
Regi 'the boss'
Robin 'easy rider'
Tim 'le chef'

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